»Auschwitz fängt da an, wo einer sagt oder denkt: ES SIND JA NUR TIERE.« Theodor W. Adorno, Philosoph, Soziologe (* 11. Sept. 1903 † 06. August 1969)

Freitag, 3. Juli 2015

Die drei N's der Rechtfertigung (Teil 2)

Fortsetzung des gestrigen Beitrags :

Und auch in anderen Hinsichten kämen wir nicht auf die Idee, auf die Natürlichkeit der Dinge zu pochen: Frauen rasieren sich ihre natürliche Bein- und Achselbehaarung, wir verwandeln Feld und Wald in Flughäfen und Autobahnen, damit wir nicht auf unsere natürlichen Fortbewegungsapparate (nämlich unsere Beine) angewiesen sind, und auch mit Verhütungsmitteln schlagen wir der Natur ein Schnippchen.

Was lernen wir daraus? Wir suchen uns sehr wählerisch und willkürlich aus, was wir für natürlich und deshalb vertretbar halten, und was nicht. Warum das so ist? Karnismus hat die Tücke, sich zu „naturalisieren“, sprich: Das karnistische Denksystem hat die Fähigkeit, uns ein Gefühl falscher Natürlichkeit zu vermitteln.

Karnismus kurz erklärt:
Karnismus ist ein unsichtbares System aus Überzeugungen oder Ideologien, das die Menschen darauf konditioniert, bestimmte Tiere zu essen. Karnismus ist das genaue Gegenteil von einer vegetarischen oder veganen Lebenseinstellung; „Karn“ bedeutet „Fleisch“ oder „aus Fleisch“ und „-ismus“ bezeichnet ein  Überzeugungssystem.


Fleisch & tierische Produkte essen – ist das wirklich notwendig?
Der Glaube daran, dass es „notwendig“ ist, Fleisch zu essen, ist eng verbunden mit dem Glauben, es sei „natürlich“, Fleisch zu essen. Denn wenn es biologisch notwendig ist, Tiere zu essen, bedingt der Fleischkonsum das Weiterbestehen der menschlichen Spezies.

Und obwohl uns eigentlich klar ist, dass es sehr wohl problemlos möglich ist, ohne Fleisch ein gesundes und langes Leben zu führen, berufen wir uns trotzdem immer wieder auf den Mythos, der Konsum von tierischen Produkten sei notwendig. Und dabei ist genau das Gegenteil der Fall! Der Konsum von tierischen Produkten steht eng im Zusammenhang mit Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Herz- und Kreislauferkrankungen und Krebs.

Und was ist mit den Arbeitsplätzen? Die Tierindustrie ist doch wirtschaftlich gesehen eine Notwendigkeit, stimmt’s? Falsch! Zum einen hören die Menschen nicht auf zu essen oder zu konsumieren, bloß weil sie keine Tiere mehr essen. Ihr Konsum verändert sich und die Wirtschaft bräuchte nicht lange, um sich darauf einzustellen. Aber grundsätzlich darf eine Gesellschaft, die an sich selbst den Anspruch auf ein ethisches Bewusstsein erhebt, eine solche Argumentation gar nicht erlauben.

Hätte die Sklaverei in den Vereinigten Staaten nicht abgeschafft werden sollen, weil das einen Zusammenbruch der bis dahin gekannten Wirtschaftsordnung bedeuten würde? Sollten Kriege geführt werden, weil die Waffenindustrie ein florierendes Geschäft ist, für unzählige Menschen Arbeitsplätze bereithält und dem Bruttosozialprodukt ein dickes Plus beschert?

Es ist an der Zeit in Frage zu stellen, was in der Gesellschaft als normal, natürlich und notwendig gilt.

Und übrigens: Je mehr Opfer, desto weniger Wirkung.
Je größer die Anzahl der Opfer, desto mehr verdrängen und entpersonalisieren Menschen diese Opfer – ganz gleich, ob es sich dabei um Mitmenschen oder Tiere handelt. Die emotionale Reaktion nimmt proportional zur steigenden Opferzahl ab. Es wurde mittlerweile in psychologischen Studien nachgewiesen, dass dieses „Verdrängen“ bereits ab 2 Opfern beginnt. Einzelne Opfer (zum Beispiel ein ertrunkenes Hundebaby im Kanal) erregen viel mehr unser Mitgefühl, als eine große Zahl an Opfern (zum Beispiel 100 Erdbebenopfer). 

Wenn man sich also vorstellt, dass in Deutschland jährlich mehrere hundert Millionen Tiere geschlachtet und getötet werden, dann kann man sich das eigentlich nicht vorstellen – diese Zahl ist zu hoch, zu abstrakt, zu unwirklich. Wir können mit ihr nicht viel anfangen und sie macht uns deshalb auch nicht so betroffen, wie wenn uns etwa die Nachricht erreicht, dass jemand einen Hund von einer Brücke geworfen hat.

Quelle: Mario Pfeifer (PETA)

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