»Auschwitz fängt da an, wo einer sagt oder denkt: ES SIND JA NUR TIERE.« Theodor W. Adorno, Philosoph, Soziologe (* 11. Sept. 1903 † 06. August 1969)

Freitag, 10. Juli 2015

Über die Schwulenfeindlichkeit der Kirchen und Religionen (Teil 1)

Coming Out - der  individuelle Prozess der Betroffenen, sich ihrer gleichgeschlechtlichen Empfindungen bewusst zu werden und diese früher oder später akzeptieren zu müssen :

Für die meisten Betroffenen ist es eine Katastrophe, die ersten gleichgeschlechtlichen Gefühle in sich entdecken und wahrnehmen zu müssen. Welch schicksalhafte Erkenntnis, sich mehr und mehr eingestehen zu müssen: Ich bin ein  Mann, der Männer liebt ! Ich bin anders als die anderen und entspreche nicht der Norm ! Diese Erkenntnis bedeutet für die Betroffenen zugleich eine weitere, nämlich als Außenseiter anders behandelt, ausgegrenzt und diskriminiert zu werden und sich zunächst selbst nicht finden zu können. Ebenso haben diese ersten Erfahrungen mit gleichgeschlechtlichen Gefühlen zur Folge, sich zunächst erst einmal  überall,  ja, selbst in der eigenen Familie, verstecken zu müssen und möglicherweise bis zum Selbsthaß über sich selbst entsetzt zu sein.

Nein, solch eine Erkenntnis möchten die meisten Betroffenen nur ungern wahrhaben und mit dem Wissen, schwul zu sein, hat man es bis auf unbestimmte Zeit mit einem Problem zu tun, welches kein Heterosexueller kennt und durchmachen muss. Aber die schließlich nicht mehr abweisbare Selbstwahrnehmung wirkt wie ein Schock : man erschrickt, fühlt sich schuldig, kommt  sich vor wie ein Krüppel, man fühlt sich krank, schlecht und verdorben und spürt die Angst, belächelt, verspottet, verurteilt und abgelehnt zu werden.  Im Abseits stehend und als Außenseiter, der man nicht sein will, beginnt sich der eine oder andere Schwule selbst zu hassen, zu verachten und zu verleugnen, was letztlich noch mehr die Nerven strapaziert und viele innere Erniedrigungen kostet.

Schließlich versuchen sich die meisten, die gleichgeschlechtliche Gefühle in sich wahrnehmen, sich selbst zu kurieren, erleben hierbei jedoch immer wieder nur Scheitern und Versagen, flüchten sich in die innere Isolation und Passivität und praktizieren letztlich ein ewiges Verstellen und Versteckspielen vor ihrer Umwelt. So mancher spielt fortan Theater und führt ein nervenraubendes und kräftezerstörendes Doppelleben. Hinzu kommt das Erleben der Ablehnung, das Erleben von Spott und Verachtung, das Tuscheln hinter dem Rücken, die häßlichen Schwulenwitze. Aber damit noch nicht genug: so mancher ist  auch schrecklich einsam, sehnt sich nach einem Menschen, nach einem Partner und erleidet Höllenqualen unter den bösartigen und dummen Vorurteilen seiner Mitmenschen. Wie lange kann ein Mensch das aushalten?

Nach besagter Selbsterkenntnis  kämpfen viele gegen ihre innersten Gefühle. Das aber macht sie psychisch krank und eigenartig. In den Filmen sehen sie Männer, die sich gegenseitig umbringen, aber nicht, daß zwei Männer sich lieben dürfen. In den Büchern stehen Geschichten, Gedichte und Lieder über die Liebe, jedoch nicht über ihre Liebe, denn diese Liebe wird größtenteils verachtet und gebrandmarkt: "Dich elende schwule Sau hat man zu vergasen vergessen!" Mit derartigen Äußerungen werden Schwule verachtet und beschimpft, und die meisten Menschen gewähren einer gleichgeschlechtlichen Liebe keinen Raum in ihren Herzen.

Bevor sie überhaupt ahnen, daß sie schwul sind, fühlen sie sich schon irgendwie anders. Es scheint ihnen, als ob sie nirgendwo dazugehören, als seien sie überall ausgeschlossen von dem, was andere erleben. Bereits schon als Heranwachsender fühlen sie sich allein und anders als die anderen. So anders wie ein Kreis in einer Welt von Quadraten. Und in der Tat: sie sind auch anders als diese durch und durch heterosexuell geprägte Welt um sie herum. Mit der Selbstwahrnehmung ihres Andersseins jedoch kommt auch das Grausen in ihr Leben: "Hilfe - ich bin schwul, ausgestoßen und aufgelistet in der Kartei der Psychiater!" Und so scheint es ihnen oft fast unmöglich, noch eine Spur Selbstachtung zu bewahren, weil sie ständig nur Schlechtes über die perversen und sündhaften Schwulen zu hören oder zu lesen bekommen.
 

Oft fühlen sie sich als  letzter Dreck und als absolute Fehlzünder, sind oftmals verwirrt und oft allein. Die ihnen begegnenden Vorurteile machen es ihnen keineswegs leicht, ihre Rolle als Außenseiter dieser Gesellschaft zu akzeptieren. Sobald sie ihre gleichgeschlechtlichen Gefühle entdecken, sagen sie ihnen den Kampf an - immer noch hoffend, es würde sich doch nur um eine vorübergehende Phase handeln. So mancher bemüht sich sehr, in sich heterosexuelle Bedürfnisse hervorzukitzeln, jedoch alle diese Mühen produzieren immer wieder nur Niederlagen.  Mitunter gelingt es ihnen auch manchmal, heterosexuellen Verkehr zu haben, indem sie sich dabei vorstellen, mit einem Mann zusammen zu sein. Welch meisterhafter Selbstbetrug! Ebenso probieren sie es mit der Therapie des Ignorierens und wollen die Realität einfach nicht wahrhaben.

Die Ursachen für viele Probleme und Belastungen liegen jedoch nicht in erster Linie in der homosexuellen Orientierung begründet, sondern hauptsächlich in den außergewöhnlichen Situationen, denen Homosexuelle oft ausgesetzt sind. Sie leben mit etwas, was zwar ein wichtiger Teil von ihnen ist, können aber diesen Teil in der Regel nicht offen zeigen. Es ist schwierig, dieses Anderssein vor aller Umwelt zu verbergen und je kleiner der Wohnort, desto größer die Panik, desto notwendiger eine Technik, die dieses Anderssein und alle damit verknüften Hoffnungen verschleiert. Vor einer noch weit größeren Hürde stehen viele der Betroffenen, all das, was in einer Beziehung gelebt werden möchte, möglich zu machen, also die Empfindungen, das Bedürfnis und Verlangen in Taten und Handlungen umzusetzen.

Fortsetzung im zweiten Teil dieser Beitrags-Reihe ..........

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