»Auschwitz fängt da an, wo einer sagt oder denkt: ES SIND JA NUR TIERE.« Theodor W. Adorno, Philosoph, Soziologe (* 11. Sept. 1903 † 06. August 1969)

Samstag, 9. Mai 2015

Der Sohn des Jägers (Teil 2)

Fortsetzung des gestrigen Beitrages:
Ein Essay der Empörung über die Lustmörder in Wald und Flur

Ethik, Empathie, wissenschaftliche Erkenntnisse, was soll das, was soll das überhaupt sein, so ihre dauernde Frage, diese absurden Fremdwörter, die sie noch nie brauchten, deren Sinngehalt, deren Bedeutung ihnen unverständlich, nicht verstehbar ist und es auch schon immer ohne sie ging, weil das Leben in der Natur damit in keiner Weise erfasst werden könne, also Wörter, die unnötig, weil unnütz sind und das Leben überhaupt anders ist, als Bücherweisheiten, was soll also dieses belastende Zeug, klingen ihre monoton repetierten Worte in seinem Gedächtnis nach.

Sie merken es nicht und glauben es noch weniger, dass sie es sind, die völlig naturentfremdet sind. Die freie Natur, Wald und Feld, als Lebensraum aller darin existierender Lebensformen ist ihnen suspekt. Die Vorstellungen ihrer bornierten Kleinbürgerlichkeit müssen dort gelten, die Vorstellungen dessen, was ihren abstoßenden Vorstellungen, getauft in dem Bierdunst der Dorfkneipe, erfahrbar ist. Die industriell genormte Natur, der Freilandindustriekomplex, diese denaturierte Natur entspricht ihrer kleinbürgerlichen Ordnung und diese Ordnung wird mit der Flinte despotenhaft verteidigt.

Er denkt für sich, was mache ich eigentlich, ich gehe immer davon aus, unbewusst, instinktiv, dass alle Menschen gleich sind, gleicheinsichtig und erkenntnisbereit, was mache ich doch für einen Gedankenfehler, was begehe ich doch für einen Trugschluss. Lehrt mich nicht das Leben täglich, stündlich, dass die Bandbreite im Geist, die Spannweite des Denkens, die verschiedenen Dimensionen der Intelligenz nirgends so auseinanderklaffen, bei keinem anderen Wesen solche Unterschiede aufweisen, als beim Menschen? Wie kann ich davon ausgehen, dass Ethik, Empathie und logische Analysen verstanden werden, wenn ich doch weiß, dass aller Geist dem unsichtbar ist, der keinen hat. Warum wende ich mich überhaupt mit solchen Gedanken an diese Mikroben des Denkens, an diesen Orden der geistigen Minoriten, an die Bettelmönche der Intelligenz, warum, fragt er sich, wirst Du nicht schlau und folgst der Erkenntnis, dass man Geist am besten damit zeigt, dass man mit Dummen nicht spricht.

Aber es gibt ja nicht nur diese dumpfen Bauerntölpel in der Fraktion der Tötungsgierigen, wenn auch diese Sorte sofort hervorsticht und ins Auge fällt, nein es gibt auch die mächtigen, die reichen, die einflussreichen Brandstifter der Vernichtung, die eigentlichen  Betreiber des Todeskarussells. Es gibt die kleinen und großen Beamten und die Richter und die Staatsanwälte und die Minister und die Priester und die Redakteure, es gibt ihn, diesen mafiösen Sumpf der gegenseitigen Vorteilsgewährung, es gibt diese Camorra der Vernichtung, die Gesellschaft der Todesboten, die das Vernichtungskarussell am Laufen halten, es schön finden, selber damit fahren, weil auch sie Triebbefriedigung in der Vernichtung finden.

Er fragt sich und findet keine Antwort, wie es sich eine Gemeinschaft, ein Volk, ein Staat, der Zukunft den Menschen verspricht und tatsächlich nur vorlügt, wie kann sich dieses Volk entwickeln, das durchsetzt ist von Menschen, die vom Töten begeistert sind, die Töten als Lustbefriedigung haben, fragt er sich, was ist das für ein Volk, dass nicht aufsteht, das sich nicht wehrt, das sich die Natur, den eigenen Lebensraum von pathologischen Profiteuren und Triebtätern zerstören lässt. Ist dieses Volk überhaupt anders, unterscheidet es sich von der tötungswilligen Minderheit, würden auch sie die Karren der Verurteilten zur Guillotine zerren und bei jedem abgeschlagenen Kopf vor Begeisterung johlen, unterscheidet sich dieses Volk überhaupt von dem Auswurf der Lebensverachtung, verdient es dieses Volk, dass sich Verkünder der Ethik hinstellen und die Protagonisten des Tiermordes anklagen.

Er zweifelt, wird unsicher, bekommt Beklemmung, wenn er denkt, dass alle um ihn herum ähnlich denken, vergleichbar triebgesteuert sind, dass Ehrfurcht vor dem Leben nur die Fiktion von philosophischen Eigenbrödlern sein könnte, dass Töten, dass Auslöschen wirklich die große Lustbefriedigung der Masse ist, dass die Masse zumindest das Töten toleriert, nicht ablehnt, nur in Sonntagsreden sich dagegen ausspricht. Er bekommt Beklemmung, Herzrasen, wenn er unter diesen Vorzeichen überlegt, was wäre, wenn ein großer Charismatiker das globale Töten fordert, als wichtig verkauft und die Masse dafür wieder begeistert und mit dem Tod der anderen fasziniert, wird sich dann wieder zeigen, dass alle Bemühungen um Empathie, Ethik und Vernunft vergeblich waren, dass der Mensch im Wesen unveränderlich ist und an seiner unveränderlichen Starrheit zugrunde geht, nachdem er alle Wehrlosen bereits zu seinem Vergnügen hingemordet hat. Er muss die Gedanken abbrechen, er kann sie nicht ohne tiefe Abscheu fertig denken, er fürchtet das Ergebnis, er scheut sich noch vor der endgültigen Demaskierung der Bestie Mensch und schämt sich zutiefst, dass sein Vater ein Jäger ist.

von Dr.Gunter Bleibohm
www.pro-iure-animalis.de

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen