»Auschwitz fängt da an, wo einer sagt oder denkt: ES SIND JA NUR TIERE.« Theodor W. Adorno, Philosoph, Soziologe (* 11. Sept. 1903 † 06. August 1969)

Sonntag, 24. Mai 2015

Metzger, Jäger & Co (Teil 2)

Fortsetzung des gestrigen Beitrags

Von Dr. Gunter Bleibohm

Das geschilderte religiöse Fundament versuchen die Glaubenskonstrukteure zusätzlich mit der irrwitzigen Behauptung zu zementieren, der Mensch sei das letztendliche Ziel der Schöpfung, der Welt, der eine große Sinn des Universums. Diese hybride Vorstellung wurde von der Philosophie immer wieder ad absurdum geführt, ist sie doch als der eine große Unsinn im Universum entlarvt. Kant sah die Kernfragen der Metaphysik, nämlich die Frage nach dem Weltanfang, nach dem Sinn des Weltganzen und der Unsterblichkeit der Seele mit der Vernunft und Logik als unbeantwortbar, als nicht verifizierbar, an.

Der christlich geprägte metaphysische Rahmen, der das vollständig anthropozentrisch geprägte Weltverständnis nicht nur der westlichen Hemisphäre bildet, wird somit zusammenfassend von folgenden Säulen getragen:
  • Die Hierarchie aller Existenz beginnt mit Gott, besitzt als Mittelbau den Mensch und dieser ist wiederum dem Leben der gesamten Natur übergeordnet, das dem Menschen zu seinem Nutzen zur Verfügung gestellt wurde. Der angebliche Gottesbefehl hierzu lautet: 
  • "Und Gott segnete Noah und seine Söhne und sprach: Seid fruchtbar und mehrt euch und erfüllt die Erde. Furcht und Schrecken vor euch sei über alle Tiere auf Erden und über alle Vögel unter dem Himmel, über alles, was auf dem Erdboden kriecht, und über alle Fische im Meer; in eure Hände seien sie gegeben. Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise; wie das grüne Kraut habe ich's euch alles gegeben." (Gen 9, 1-3)
  • Der Mensch ist das Ebenbild Gottes.
  • Nur der Mensch besitzt eine unsterbliche Seele und kann ewiges Leben erhoffen.
  • Nur dem Menschen ist tiefgreifende Begabung zur Vernunft gegeben.
  • Der Mensch ist die Krone der Schöpfung, ihr letztendliches Ziel und ihm ist eine Würde immanent, die vorrangig vor jeder anderen Lebensform steht.
Vor dem Hintergrund dieser metaphysischen Grundaxiome ist das heutig gültige, profane, weltliche Denkmuster zu betrachten, welches als Transformator der metaphysischen Vorgaben auf das tägliche Leben wirkt. Sigmund Freud beschreibt das Gesagte in folgenden Zeilen: 
"Eine besondere Bedeutung beansprucht der Fall, dass eine größere Anzahl von Menschen gemeinsam den Versuch unternimmt, sich Glücksversicherung und Leidensschutz durch wahnhafte Umbildung der Wirklichkeit zu schaffen. Als solchen Massenwahn müssen wir auch die Religionen der Menschheit kennzeichnen. Den Wahn erkennt natürlich niemals, wer ihn selbst noch teilt".
Der Kapitalismus mit seinen exzessiven Auswirkungen wird getragen von einer rein wirtschaftlich orientierten Scheindemokratie – mit zunehmend deutlichen Tendenzen zur Oligarchie und Ochlokratie -, was als Konsequenz zu exorbitantem Tiermissbrauch, Tierausbeutung und Massenvernichtung allen nicht-menschlichen Lebens führt.

Ein weltweiter Speziesismus, ein Artenrassismus ohnegleichen, ein Vernichtungsfeldzug, der alles bisher Dagewesene an Verbrechen, Gemetzel und Ausbeutung der Tierwelt in der Geschichte um Größenordnungen hinter sich lässt, hat seine moralische Rechtfertigung durch archaische religiöse Vorstellungen erhalten. Das Gleichheitsprinzip und Selbstverwirklichungsrecht, für die menschliche Spezies durch Menschenrechte, Religionsfreiheit und humanistische Ideale repräsentiert, wird nicht-menschlichen Lebensformen strikt verweigert. 

"Seit Darwin sollten wir nämlich wissen, dass es biologisch und psychologisch zwischen Menschen und Tieren keinen prinzipiellen, sondern lediglich einen graduellen Unterschied gibt. Wenn wir auf dieser Grundlage das fundamentalste moralische Prinzip, das Gleichheitsprinzip, anwenden, ergibt sich der richtige Umgang mit Tieren fast automatisch: Wir schauen, welche Interessen Tiere haben und nehmen diese Interessen dann gleich ernst, wie wir vergleichbare menschliche Interessen ernst nehmen. Zweierlei wird augenblicklich klar: Wir treten das fundamentale moralische Gleichheitsprinzip mit Füßen. Und wir verüben unvorstellbare Verbrechen an Tieren" fasst Kaplan diesen Tatbestand zusammen.

Im Zusammenwirken zwischen Politik und christlicher Ideologie ist ein Weltbild entstanden, das zu einer Verwahrlosung des sittlich-moralischen Empfindens und insbesondere des Rechtsbewusstseins geführt hat; angesichts der maßlosen Verbrechen muss von einer totalitären Metaphysik gesprochen werden.

Es hat eine Vergesellschaftung des Grauens, des Unrechts stattgefunden, das zwischenzeitlich ohne weitere Hinterfragung als Recht und rechtens verinnerlicht wurde, da Staat und Kirche die klare Botschaft aussenden: "Tiere sind nicht wichtig, ihr könnt mit Tieren weiterhin so verfahren wie bisher" und Kaplan fährt fort: "Die Schuld der Kirchen am Elend der Tiere ist also eine zweifache: Weltanschaulich liefern sie die Grundlage für die Verbrechen an Tieren. Und politisch schweigen sie zu den Verbrechen an Tieren. Wer aber Verbrechen verschweigt, macht sich mitschuldig an diesen Verbrechen".

Die Mordmaschinerie, industriell perfektioniert, bürokratisch verwaltet, logistisch bis auf den letzten Bauernhof durchgeplant, gesetzlich geregelt, ja gesetzlich und kirchlich gewollt, ermöglicht es dem Normalbürger ein reines Gewissen zu behalten. Er sieht sich frei von Schuld, frei von Verantwortung, er kann nach außen wie nach innen, sich selbst gegenüber, widerspruchsfrei handeln. Die Glaubensbereitschaft an die gemeinsamen, deckungsgleichen Botschaften von Religion und Staat machen ihn zum Erfüllungsgehilfen eines entsetzlich blutigen, grausamen Weltbildes, liefern ihm die Rechtfertigung, die Moral und Ethik für eine Unkultur der Vernichtung.

Der Metzger, der Pelzhändler, der Jäger, jeder Tierausbeuter schlechthin, unterliegt somit keiner Ächtung, ist gesellschaftlich integriert, gilt als Normalbürger, ist angesehen, wird für notwendig und wichtig gehalten. Ausbeutung, Tiermord und Massenhinrichtungen von Tieren sind konform mit dem Wollen des Volkes, sind in seiner Mitte verankert, ein Umdenken scheint ausgeschlossen. Haben sich Tierausbeutung und Tiermord gar durch eine langjährige, oftmals Jahrhunderte alte Tradition verfestigt und sind in volkstümliche Veranstaltungen, genannt seien nur Stierkampf und Zirkus, oder - im schlimmsten Fall - in religiöse Feste und Bräuche  integriert, sind sie im Volksbewusstsein verfestigt und nahezu irreversibel zementiert.

"Die geringe Sittlichkeit der Staaten nach außen, die sich nach innen als Wächter der sittlichen Normen gebärden und die Brutalität im Benehmen der einzelnen, denen man als Teilnehmer der höchsten menschlichen Kultur ähnliches nicht zugetraut hat",  begründet die tiefgreifende Enttäuschung gegen Staat und Religion.

Diese Worte von Freud in einer Abhandlung über Krieg und Tod beschreiben treffsicher das Empfinden einer Minorität von Menschen gegenüber einer perfektionierten Vernichtungsmaschinerie für die Tierwelt. Die Mordmaschine arbeitet pausenlos gegen ihre frei lebenden, bestenfalls durch sogenannten Artenschutz gesicherten, wie auch zur Gefangenschaft gezwungenen und andauernd agrarindustriell reproduzierten Vertreter.

Fortsetzung und letzter Teil im morgigen Blog-Beitrag ......

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